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Marlene Schnabel

Ein Blick hinter die Kulissen des „Team Barrierefreiheit“

Einblicke eines Teams, das unter Anderem pro Woche 30 Formate à 45 Minuten mit Gehörlosenuntertiteln erstellt und in 2024 bereits 27.000 Minuten Sendezeit untertitelt hat.

 

Heute ist Tag der Leichten Sprache. Dieser Tag erinnert uns daran, wie wichtig es ist, Informationen für alle Menschen zugänglich zu machen. Im letzten Jahr hat das „Team Barrierefreiheit“ erstmals Formate in leichter Sprache angeboten, um unsere Inhalte noch mehr Menschen zugänglich zu machen. Bereits seit vielen Jahren kümmern sie sich um den Ausbau der Untertitel, Gebärdensprache und Audiodeskription. Und damit sind wir Vorreiter bei den privaten Medien! Heute werfen wir mit Alissa, Jeannette, Lotte, Melissa sowie dem Untertitel-Team einen Blick hinter die Kulissen und erfahren mehr über barrierefreies Entertainment.

Liebe Lotte, du kümmerst dich als Senior Manager Barrierefreiheit u.a. um die Gehörlosenuntertitelung. In 2021 haben wir Gebärdensprache für Menschen mit Hörbeeinträchtigung eingeführt. Wieso gibt es beides ? 

Lotte: Gehörlosenuntertitel werden von Menschen genutzt, die eine Hörbehinderung haben, werden aber auch zum besseren Verständnis von denjenigen mitgelesen, deren Muttersprache nicht Deutsch ist. 
Bei vielen Menschen mit einer Hörbehinderung, gerade denen, die von Geburt an taub sind, ist aber die Gebärdensprache ihre Muttersprache. Für sie ist Schrift-Deutsch - wie in unseren Untertiteln - eine Fremdsprache mit einer anderen Grammatik. Für sie bieten wir Gebärdensprache an. Seit letztem Jahr werden unsere Gebärdensprachdolmetscher und -dolmetscherinnen von Deaf Performern unterstützt. Das ist gelebte Barrierefreiheit, da sie selbst gehörlos sind. Sie kommen zum Einsatz, wenn wir Musik gebärden wollen. 

Das machen sie mit Mimik, Gestik und Bewegung zum Beispiel bei „The Voice Kids“. Eine wunderbare Darstellung von Musik, völlig geräuschlos.

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Deaf Performance bei "The Voice Kids"

Ihr testet auch immer wieder neue Angebote rund um Barrierefreiheit. Kannst du hier ein bisschen aus dem Nähkästchen plaudern? 

Lotte: Für uns ist es ganz wichtig, unsere Angebote weiterzuentwickeln. So wie wir eben seit letztem Jahr Deaf Performer einsetzen. Aktuell prüfen wir, wie wir durch den Einsatz von KI unser Angebot kostengünstig aber nicht auf Kosten der Qualität erweitern können. Gerade haben wir die Zusammenarbeit mit einem Start Up begonnen, PHONT. Das junge Unternehmen hat ein Programm entwickelt, das Untertitel nicht wie üblich weiß und statisch darstellt, sondern sich die Schrift je nach Emotion intuitiv verändert und das, je nach Wunsch skalierbar. Wenn zum Beispiel jemand schreit, wird die Schrift größer und kippt bedrohlich nach vorne. 

Hier prüfen wir gerade, bei welchen Formaten wir diese Untertitel probeweise einsetzen können.

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Untertitel erstellt mit PHONT

Liebe Alissa, du bist als Manager Barrierefreiheit im Team für die Angebote in Leichter Sprache verantwortlich. Für wen sind Angebote in leichter Sprache denn besonders relevant und wer kann es noch nutzen? Wie funktioniert das? 

Sendungen in Leichter Sprache bieten wir für diejenigen an, die Probleme damit haben, komplexere Texte zu verstehen. Das kann aufgrund von kognitiven Beeinträchtigungen und Lernschwierigkeiten sein oder auch für Menschen, die gerade Deutsch lernen. Darum verwendet die Leichte Sprache kurze Sätze, einfache Wörter und oft auch Bilder. Wichtig ist, dass die Texte von einem Testleser gelesen werden, bevor wir sie veröffentlichen. Testleser mit geistiger Behinderung können am besten sagen, ob für sie alles verständlich ist. Wir haben auch schon KI-Lösungen im Bereich Leichte Sprache getestet, aber noch werden die Texte von zertifizierten Redakteuren übersetzt.

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Eine Untertitelung der Sendung "Endlich Frei" in leichter Sprache

Liebe Melissa, Du kümmerst dich als Manager Barrierefreiheit bei Puls4 um die Gehörlosenuntertitelung. Wie kam unsere Rolle als Vorreiter in diesem Gebiet zustande? 

Melissa: Neben meiner Verantwortung für die Gehörlosenuntertitel bei PULS4 bin ich auch für die österreichischen Sender PULS24, ATV1 und ATV2 zuständig. Mein Hauptaugenmerk liegt darauf, sicherzustellen, dass sie ihre Jahresziele in Bezug auf Barrierefreiheit und Untertitelung erreichen. Also ihren Verpflichtungen gegenüber der Zuschauerschaft gerecht werden. Das und unser kontinuierliches Engagement für Inklusion und Barrierefreiheit kann dazu beigetragen haben, dass wir als Vorreiter in diesem Gebiet gelten. Wir haben erkannt, dass Fernsehen eine wichtige Form der Kommunikation und Unterhaltung für alle sein sollte, unabhängig von individuellen Herausforderungen wie Hör- oder Sehbeeinträchtigungen.

 

Was ist der Unterschied zwischen herkömmlicher Untertitelung und der für Gehörlose?

Melissa: Der Unterschied zwischen herkömmlicher Untertitelung und Untertiteln für Gehörlose liegt vor allem in der Detailtiefe und dem Verständnis für die Bedürfnisse der Zielgruppe. Während herkömmliche Untertitel in erster Linie nur den Dialog wiedergeben, gehen Untertitel für Gehörlose darüber hinaus. Sie erfassen nicht nur die gesprochene Sprache, sondern auch wichtige akustische Elemente wie Hintergrundgeräusche, Musik oder Emotionen, die zu dem Verständnis des Geschehens beitragen.

 

 

Wie wird das bei P7S1 bisher umgesetzt?

Jeannette: Audiodeskription bieten wir zurzeit für die Sender ProSieben, Sat. 1 und ProSieben Maxx an. Kabel Eins ist in Planung. Über die ProSieben AD APP, Sat.1 AD APP und die ProSieben MAXX AD APP kann sich das Publikum auf jedem Android oder iOS Gerät die Audiodeskription von dem angebotenen Programm anhören. Auf Joyn wird die Audiodeskription über einen separaten Channel sogar mit Video für das jeweilige Programm angeboten.

Was sind aktuelle Beispiele?

Jeannette: Auf den Sendern bieten wir, unabhängig von der Uhrzeit, diverse Blockbuster verschiedenster Genres mit Audiodeskription an. Dieses Jahr haben wir zum ersten Mal eine Serie HOUSE OF THE DRAGON auf ProSieben mit AD angeboten. Shows wie GNTM, THE MASKED SINGER oder SCHLAG DEN STAR laufen schon seit Jahren mit AD und es kommen immer wieder Shows dazu. Bei Sportsendungen, wie den Bundesliga-Spielen, wird die Audiodeskription oft sogar den eigentlichen Kommentatoren vorgezogen. Auch die EISHOCKEY WM kann mit AD verfolgt werden.

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Foto links: Martin, Claudia, Alfred (von links), Foto rechts: Claudia und Alfred

 

Liebe:r Alfred, Claudia, Tanja und Martin. Ihr seid Teil unseres Untertitel Teams und somit für die beeindruckende Zahl an Untertiteln, die wir zur Verfügung stellen verantwortlich. Was sind eure Herausforderungen? Wie viele Untertitel werden täglich von euch erstellt? Gibt es da vielleicht eine spannende Zahl?

 

Untertitel-Team: Bewegtbildformate erzählen Geschichten nicht ausschließlich via Bild. Der Ton spielt eine enorm große Rolle für die Kreation von Atmosphäre und der Gefühlswelt des Formats, aber auch der Dramaturgie. Oftmals erzählt der Ton das Geschehen, während das Bild es nicht tut. Darin besteht eine unserer Herausforderungen beim Erstellen von Gehörlosenuntertiteln – die via Ton erzählte Geschichte fürs Publikum detailgetreu und verständlich in Form von Schrift nachzuerzählen. 

Dabei müssen wir verschiedene Parameter unter einen Hut bekommen. Zum einen die Dialoge möglichst wortgetreu und damit authentisch zu übertragen und zusätzlich auditive Informationen zu transkribieren. Zum Beispiel dramaturgische Elemente, Musik und Hintergrundgeräusche („Türknallen“).

Für uns ist es wichtig, Inhalte so zu beschreiben, dass Menschen mit Hörbehinderung das volle Entertainment erhalten!

Facts: Wir versehen pro Woche ca. 30 Formate à 45 Minuten mit Gehörlosenuntertiteln und haben für das laufende Jahr bis jetzt ca. 27.000 Minuten Sendezeit ausgenommen Wiederholungen untertitelt.

 

Liebes Team Barrierefreiheit, vielen Dank für die Einblicke in eure spannende Arbeit!

 

*Das Interview führte Emilie Eckhard.

 

#OneTomorrow #StimmeFürVielfalt