Hast du Lust, uns von deinem Coming-out-Prozess im privaten und beruflichen Umfeld zu erzählen?
Sehr gerne. Privat habe ich mich erst mit etwa 20 Jahren bei meinen Eltern geoutet, da ich unsicher war, wie sie reagieren würden und ich finanziell von ihnen abhängig war. Als ich dann meine Ausbildung begann, finanziell unabhängig wurde und meinen ersten festen Freund hatte, wagte ich diesen Schritt. Rückblickend hätte ich es früher tun sollen, denn für meine Eltern war das kein Problem und haben meinen Freund mit offenen Armen empfangen.
Im beruflichen Umfeld war ich anfangs zurückhaltend, wollte aber auch nicht lügen. Ich habe mich schließlich irgendwann indirekt geoutet, indem ich von "meinem Lebensgefährten" erzählt habe. Auch hier habe ich gemerkt: Offenheit zahlt sich aus, baut Barrieren ab und vermeidet Unsicherheiten.
Wird deiner Meinung nach schon genug getan, damit queere Personen in der Gesellschaft mehr Akzeptanz und Sichtbarkeit erfahren?
Ich finde in Deutschland wird schon einiges getan, aber es gibt immer noch Raum für Verbesserung. Ich finde es wichtig, dass Politik, Medien und Bildung an einem Strang ziehen. Dass man in der Bildung zum Beispiel schon früher ansetzt und Kindern zeigt, dass es viele unterschiedliche Lebenswege gibt.
Leider gibt es aber auch teilweise Rückschritte in meiner Wahrnehmung. Gerade auf sozialen Netzwerken wird sich vermehrt gegen queere Menschen radikalisiert. In manch anderen Ländern sieht man leider schon, dass Erfolge, die man schon erzielt hatte, schnell wieder weggenommen werden. Deswegen ist es so wichtig, dass die Sichtbarkeit nicht abnimmt.