Lieber Jochen, vielen Dank, dass du dir Zeit für dieses Interview nimmst.
Na klar! Ich bin froh, dass es nun ein LGBTIQ*-Netzwerk bei ProSiebenSat.1 gibt. Der Schritt war mehr als nur wichtig. Ein so großes Medienunternehmen muss sich hier positionieren – nach außen, aber eben auch nach innen. PROUD ist ein toller Anfang, sich als Mitarbeiter:innen für die Belange von LGBTIQ* stark zu machen und das unterstütze ich natürlich sehr gerne.
Als Schauspieler und Fernsehmoderator stehst du jeden Tag in der Öffentlichkeit. War das der Grund dafür, dass dein privates Outing schon recht früh stattfand, du deine Homosexualität jedoch erst 2018 öffentlich gemacht hast?
Anfangs habe ich hauptsächlich als Schauspieler gearbeitet und lange gab es keine queeren Schauspieler:innen, die out waren. Wenn doch, waren es Hella von Sinnen oder Dirk Bach, die eine Marke für sich und bereits sehr erfolgreich waren. Es machte mir Sorgen, öffentlich zu meiner Homosexualität zu stehen. Zu Beginn meiner Schauspielkarriere wurde ich gerne als Herzensbrecher besetzt und wenn man in einer Zeit aufwächst, in der Homosexualität eher abwertend gesehen wurde – nicht familiär, sondern eher allgemein zeitgenössisch –, dann ist das schwierig. Trotzdem bin ich in meinem Beruf immer sehr offen mit meiner Homosexualität umgegangen und habe niemals so getan, als wäre ich heterosexuell. Ganz im Gegenteil: Ich war sehr transparent und habe meine Partner mit ans Set oder zu Veranstaltungen gebracht. Als ich Anfang 20 war, habe ich immer wieder diskriminierende Aussagen hören müssen – beispielsweise, dass man ja in einer Kussszene mit einer Frau sähe, dass ich eigentlich schwul bin. Ein totaler Quatsch, aber zum damaligen Zeitpunkt wusste ich noch nicht, wie ich damit umgehen soll.
Du musstest dich also erst einmal selbst finden?
Genau. Ich habe viel reflektiert. Was ist denn schwul? Wenn ich mich auf eine bestimmte Art und Weise bewege? Ist das schwul? Es gibt unzählige Beispiele dafür, wie schwierig es ist, wenn basierend auf Äußerlichkeiten Rückschlüsse auf die Sexualität gezogen werden. Ist jemand, der nicht werfen kann, schwul? Nein. Es gibt eben Männergruppen, die nicht werfen können. Es gibt aber auch schwule Männer, die Hochleistungssportler sind und bestens mit Bällen umgehen können. Ich denke, man versteht, was ich sagen möchte. Ich habe sehr oft und sehr lange überlegt, ob ich mich outen soll und bin auf Nummer sicher gegangen. Auch weil mir eine ehemalige Agentur davon abriet. Schließlich hätte jemand sagen können, dass ich nicht mehr für heterosexuelle Rollen besetzt werde.
Hattest du Angst, dass dich andere unfreiwillig outen könnten?
Ich hatte immer ein sehr großes Vertrauen in meine Kolleg:innen, deshalb hatte ich nie wirklich Sorgen. Dazu eine Anekdote: Ich war einmal mit einer prominenten Kollegin in einer Sendung. Einige Zeit später ruft mich ein Redakteur an und sagt mir, dass mich diese Kollegin in einem Interview geoutet hat. Sie hätte gesagt: „Der Jochen wäre ja was für mich, aber der steht auf Männer." Der Redakteur fragte mich, ob er das herausschneiden sollte. Das war sehr freundlich und ein großes Glück. Allerdings gibt es sowieso ein blindes Verständnis zwischen Journalist:innen und Promis, so etwas nicht anzusprechen, wenn die Person es nicht selbst öffentlich gemacht hat.
Toll, dass du diese positiven Erfahrungen gemacht hast!
Ja, es kann aber auch anders laufen. Ich glaube, dass sich manche Menschen nicht darüber im Klaren sind, was ein Zwangsouting für die jeweilige Person bedeuten könnte. Oft ist ja auch schon die Angst vor einer negativen Reaktion auf das berufliche Outing eine unglaubliche Last für die Personen. Schließlich kann so etwas auch in einem vermeintlich offenen Unternehmensumfeld passieren – man muss nur auf die falsche Person treffen. Diese Angst vor Diskriminierung kann auch das Privatleben stark beeinflussen. Das ist einfach schlimm.