Musstest du schon einmal Erfahrungen mit Diskriminierung oder Trans*phobie im Job machen?
Ja, leider. Zu Beginn meiner Karriere habe ich ein Praktikum absolviert und hatte am Ende Aussicht auf ein Volontariat. Meinen Hintergrund hielt ich damals vor meinem Arbeitgeber geheim, denn ich war mir nicht sicher, wie man darauf reagieren würde. Am Ende des Praktikums bekam ich eine mündliche Zusage zum Volontariat und eine Woche später komischerweise eine Absage. Anschließend habe ich von Kolleg:innen erfahren, dass man innerhalb der Redaktion über meinen Trans*genderhintergrund gewitzelt habe. Angeblich habe man das kritisch gesehen und daraufhin absagen müssen. Transphobie im Job lässt sich in vielen Fällen nicht festmachen, weil es häufig sehr subtil und selten offen geschieht. Ich erinnere mich auch noch einen anderen Fall vor ca. drei Jahren. Ich war erschrocken, wie offen mich da jemand vor versammelter Gruppe wegen meiner Trans*identität diskriminiert hat.
Wie hast du reagiert?
Ich wollte die Person eigentlich konfrontieren, habe es aber aus Sorge um meine Stellung im Unternehmen und meinen Arbeitsplatz nicht getan. Heute denke ich mir, dass ich etwas hätte tun sollen. So etwas darf man nicht durchgehen lassen. Ich habe ein relativ gutes Passing, da ich mit der Transition sehr früh begonnen habe und deswegen sieht man es mir nicht an. Ich habe es in dem Fall einfacher als Trans*gender, die sich gerade mitten in der Transition befinden. Sie sind dadurch auffälliger und anfälliger für Diskriminierungen.
Was kann ein Unternehmen als Arbeitgeber deiner Meinung nach tun, um Benachteiligung und Diskriminierung vorzubeugen?
P7S1 ist für mich hier wirklich Vorreiter, denn ich habe hier keinerlei negative Erfahrungen gemacht. Vielmehr begegnen dir die Menschen hier mit Offenheit. Das PROUD-Netzwerk unseres Unternehmens arbeitet gerade Standardvorgaben mit vielen unterschiedlichen Abteilungen aus, um der Benachteiligung von Trans*menschen am Arbeitsplatz entgegen zu wirken. Das ist ein toller Schritt! Besonders stolz bin ich, dass ich dabei unterstützen darf. Trans*identität im Berufsleben ist eine der größten Hürden auf dem Weg zum Wunschgeschlecht und als ich vor über elf Jahren bei P7S1 angefangen habe, hätte ich mir nie träumen lassen, dass wir heute da sind, wo wir sind. Aber: Auch bei P7S1 sind wir nicht am Ende der Entwicklung, wir müssen auch in Zukunft nicht nur außerhalb sondern auch innerhalb des Unternehmens klar zeigen, wie wir mit dem Thema umgehen.
Hast du konkrete Ideen?
Ich kann mir beispielsweise Schulungen oder Veranstaltungen für Mitarbeiter:innen vorstellen, die darauf aufmerksam machen und aufklären, wie man mit Trans*menschen oder auch über LGBTIQ* hinaus beispielsweise mit Menschen mit Behinderung richtig umgeht. Wir brauchen auf jeden Fall Aufmerksamkeit für dieses Thema und wir müssen uns dafür einsetzen, dass alle Mitarbeiter:innen unsere Unternehmensrichtlinien für Vielfalt und Chancengleichheit nicht nur kennen, sondern auch leben.
Gibt es etwas, das du dir im Umgang mit transidenten Personen wünschst?
Ehrliche Offenheit. Netzwerke wie PROUD gibt es auch bei anderen Unternehmen. Wenn gerade der Pride-Month ist, sind die Logos vieler Unternehmen in den bunten Farben der Regenbogenflagge eingetaucht, was natürlich super ist, denn auf diese Weise wird der Vielfaltsgedanke weit in die Welt getragen. Leider sieht die Realität häufig anders aus. Für Verbraucher:innen und auch Arbeitnehmer:innen ist es schwer herauszufinden, inwiefern Unternehmen wirklich LGBTIQ*-freundlich sind oder nur das sogenannte Pink-Washing betreiben. Diversität darf auf keinen Fall zum Selbstzweck werden. Vielmehr müssen wir uns die Frage stellen, in was für einer Gesellschaft wir leben wollen und wenn unsere Gesellschaft auf einer freiheitlich demokratischen Grundstruktur basiert, dann gehört LGBTIQ zu einem selbstverständlichen und normativen Teil der Gesellschaft dazu. Ich bin froh von unserem Unternehmen sagen zu können, dass wir nicht nur bis zum Pride Monat warten, um die Regenbogenflaggen auszupacken. Generell sind wir in Deutschland Vorreiter, weil wir schon sehr früh das Potenzial in queeren und diversen Gesellschaften erkannt haben.
Was würdest du queeren Personen mit auf den Weg geben, um besser mit Transphobie bzw. Homophobie umgehen zu können?
Ich habe mir nach all diesen Erfahrungen lange Gedanken gemacht und mich mit anderen ausgetauscht und das Wichtigste ist: Man ist nicht allein! Menschen, die wegen ihrer sexuellen Identität oder Genderidentität in welcher Weise auch immer diskriminiert oder diskreditiert werden, sollten sich anderen Menschen anvertrauen. In vielen großen Unternehmen gibt es bereits Netzwerke, an die kann man sich wenden. Wenn man diese Möglichkeit nicht hat, gibt es öffentliche Stellen, wie die Bundesvereinigung Trans* e.V. oder die Anti-Diskriminierungsstelle des Bundes. Wichtig ist es, frühzeitig und klar zu signalisieren „Halt, nicht mit mir!“ Auch wenn man das Gefühl hat am kürzeren Hebel zu sitzen, weil man denkt man könne es nicht beweisen. Ich rate Betroffenen: Protokolliert und dokumentiert Vorfälle detailliert, mit Datum, Uhrzeit und der Beschreibung des Geschehens. Das gilt bei Diskriminierung, Mobbing und Diskreditierung schon als Beweis.
Wie müsste queere Repräsentation in einer perfekten Welt für dich aussehen?
Wir brauchen Normalität, das muss das Ziel sein! Dazu bedarf es keiner perfekten Welt. Dazu bedarf es nur Menschen, die jetzt richtige Entscheidungen treffen, weil sie erkennen, dass Diversität nicht nur die Gleichstellung der Frau bedeutet. Es muss einfach normal sein, dass mehr Menschen mit unterschiedlichen Geschlechtsidentitäten auch in öffentlichen und hohen Positionen Einzug erhalten. Die neue Normalität sollte so aussehen, dass der queere Hintergrund im besten Fall keine oder zumindest nur eine untergeordnete Rolle spielt. Wir müssen endlich raus aus dieser Paradiesvogelecke, wenn es um die öffentliche Darstellung queerer Menschen geht. Bei der Repräsentation queerer Menschen ist es wichtig, sie nicht auf ihre Geschlechtsidentität oder sexuelle Orientierung zu reduzieren. Ich wünsche mir mehr Role Models, die es vormachen. Wir müssen anfangen, den Kreis der normativen Geschlechtsidentitäten zu erweitern und das geht nur, wenn wir sie auch normal abbilden. Im besten Fall ist es nur ein Teil ihrer Identität, der aber nicht im Vordergrund steht. Das wäre ein Transgendervordergrund und ich möchte einen Transgenderhintergrund haben. Die neue Normalität beginnt da, wo wir anfangen, Menschen so zu nehmen wie sie sind. Eben als Menschen.