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Julia Rosenzweig

Queer im Job: Ronald im Interview

„Jeder Mensch hat ungeachtet seiner sexuellen Orientierung einen Platz in unserer Gesellschaft verdient, ohne Wenn und Aber.“ 

Grande Finale! Das Jahr neigt sich dem Ende zu und wir freuen uns, unseren letzten Gast in 2024 in unserer "Queer im Job"-Interviewreihe willkommen zu heißen. Diesmal sprechen wir mit Ronald, Projektmanager bei wetter.com, unter anderem über seinen spannenden Job, seinen Coming-Out Prozess und darüber, welche Tipps er für Personen hat, die im beruflichen Umfeld noch vor diesem Schritt stehen. Außerdem verrät er etwas über sich, das seine Kolleg:innen selbst nach 20 Jahren noch nicht wussten. 

Warum hast du dich dazu entschlossen, Teil der „Queer im Job“-Interviewreihe zu werden? 

Mich hat vor allem motiviert, dass queere Menschen damit mehr Sichtbarkeit bekommen, auch im Arbeitsumfeld. Denn in dieser Sichtbarkeit sehe ich die Chance, dass eine gewisse Normalität im Umgang mit der queeren Community entsteht. Außerdem fand ich die bisherigen Interviews sehr spannend und wollte nach 20 Jahren (Berufs-)Erfahrung auch gerne etwas zu meinem Werdegang und Leben erzählen.  

 

Möchtest du mit uns teilen, wie dein eigener Coming-Out Prozess im Beruf aber auch privat verlaufen ist? 

Mit Blick auf den Beruf ist wetter.com mein erster Arbeitgeber, bei dem ich mich sehr offen als schwul geoutet habe. Fairerweise muss ich sagen, dass es vorher aber auch keine anderen Arbeitgeber gab (lacht). Anders war es bei meinem Zivildienst Ende der 90er Jahre. Dort war ich nicht geoutet, weil ich selbst noch in einer Findungsphase war. Im Studium wiederum hatte ich einen sehr offenen Umgang. Insbesondere weil ich mit gleichaltrigen Personen zusammen war – das hat es für mich einfacher gemacht. 

 

Mein Outing bei wetter.com kam damals nicht proaktiv von mir, sondern ich habe an einem meiner ersten Tage dort auf die Frage „Hast du eigentlich eine Freundin?“ mit „Ich habe einen Freund, keine Freundin.“ geantwortet. Zu dem Zeitpunkt hatte ich bereits seit zwei Jahren einen festen Partner. Das Schöne war, dass das zu 100 Prozent akzeptiert wurde und ich genauso behandelt wurde, wie alle anderen auch – eben normal.  

 

In meiner Familie habe ich mich erst meiner Cousine anvertraut und dann während des Studiums meinen Eltern davon erzählt. Das war am Anfang nicht ganz leicht für sie und sie mussten sich daran erst gewöhnen. Insbesondere meine Mutter hatte zu dieser Zeit auch Angst um mich, weil die Vorurteile damals noch viel stärker waren und die Gesellschaft noch nicht wirklich offen. Aber grundsätzlich war das alles kein Drama. Es war eine anstrengende Zeit, aber das wurde schnell besser und bis heute ist alles gut.  

Wie siehst du die allgemeine Akzeptanz von queeren Menschen in der Gesellschaft und welche Rolle spielen Medien in deinen Augen dabei?

Ich finde, dass die Akzeptanz in der Gesellschaft schon einmal besser war. Natürlich hat sich im Vergleich zu meinem Coming-Out zur Jahrtausendwendeviel zum Positiven verändert. Die Angriffe gegen die queere Szene und der Ton sind wieder deutlich lauter und schärfer geworden. Ich selbst bin zwar noch nicht angegriffen worden, aber man bekommt insbesondere durch die Medien mit, dass man in manchen Städten in bestimmten Vierteln vorsichtig sein muss. Auch die Anonymität in den sozialen Medien spielt eine große Rolle, die einige Menschen leider dazu verleitet, andere Personen zu beleidigen, die nicht in ihr Weltbild passen.  

 

Was macht für dich das Arbeiten bei P7S1 beziehungsweise bei wetter.com als queere Person aus und was können Unternehmen deiner Meinung nach tun, um vor diesem Hintergrund möglichst attraktiv zu sein? 

Das mag jetzt etwas abgedroschen klingen, aber ich gehe seit 20 Jahren echt mit sehr viel Spaß zur Arbeit. Ich verbringe mit meinen Kolleg:innen ja sehr viel Zeit, mit den meisten schon 20 Jahre. Da wird man wirklich wie eine kleine Familie. Ich denke, was Unternehmen tun können, ist eine offene Kommunikation in beide Richtungen zu fördern und ein Umfeld zu schaffen, in dem queere Menschen akzeptiert sind und in dem sie sich sicher fühlen können.  

 

Wie jedes Mal in unseren Interviews wollen wir zum Abschluss natürlich auch noch bei dir nachfragen: Gibt es etwas, das deine Kolleg:innen noch nicht über dich wissen?

Ja, und zwar die Tatsache, dass ich fast gar nicht bei wetter.com angefangen hätte. Damals hing in der Uni in Berlin ein Aushang von wetter.com, auf dem neue Kolleg:innen für ihre meteorologische Abteilung gesucht wurden. Ich hatte Zweifel, ob ich wirklich schon so weit war, Wettervorhersagen fürs Fernsehen zu machen. Zum Glück hatten mein jetziger Mann und meine Schwiegermutter mich damals überredet wenigstens mal hinzugehen und es mir anzusehen. Ohne ihre Überredungskünste wäre ich vielleicht nie hier gelandet.  

 

Und ein zweiter Fun Fact: mein Spitzname ist „Fräulein Smilla“, gerade im Winter. Ich liebe einfach verschneite Winterlandschaften und wenn dann auch noch die Sonne dazu scheint – perfekt! 

Vielen Dank Ronald, dass du da warst und deine Geschichte geteilt hast! 

Ich habe mich gefreut, dass ich da sein durfte! Ich wünsche allen jetzt schon mal Frohe Weihnachten und möchte am Schluss noch an folgendes erinnern: Jeder Mensch hat einen Platz in unserer Gesellschaft verdient, ohne Wenn und Aber. Deshalb brauchen wir queere Menschen zum einen die Sichtbarkeit, zum anderen aber auch die Unterstützung der ganzen Gesellschaft, um den Platz, den wir in den letzten Jahren erlangt haben, zu verteidigen. Lasst uns deshalb gemeinsam für Vielfalt, Toleranz und Respekt eintreten 😊