Liebe Sandra, wir freuen uns sehr, dich als Gast unserer „Queer im Job“-Reihe begrüßen zu dürfen. Wer bist du und was machst du im P7S1-Kosmos?
Mein Name ist Sandra Vollmer und als Geschäftsführerin/CFO von Verivox bin ich für das Finance-Ressort verantwortlich. Seit Juli 2022 bin ich Teil des Konzerns und habe die Kultur vom ersten Moment an als sehr offen empfunden. Das war tatsächlich auch ein wesentlicher Grund, weshalb ich die Position überhaupt angetreten habe.
Wie zeigt sich für dich diese Offenheit im Konzern?
Ich bin in einem männlichen Körper geboren, identifiziere mich aber als Frau. Weder während des Einstellungsprozesses noch danach stand dies im Vordergrund – es geht und ging zu jedem Zeitpunkt um meine Leistung. Ich werde als Sandra wahrgenommen und man hat Erwartungen an mich und meine Funktion, was in meinen Augen genau richtig ist. Von dieser menschlich geprägten Atmosphäre war ich von Anfang an beeindruckt.
Stichwort Offenheit: Wir haben in dieser Reihe mit Kolleg:innen gesprochen, die sich häufig mit Vorbehalten oder Berührungsängsten der Gesellschaft gegenüber transgeschlechtlichen Menschen konfrontiert sehen. Was glaubst du, warum Offenheit und Akzeptanz gegenüber Menschen mit Transgender-Hintergrund manchen Personen schwerfällt?
Um jemanden in seiner:ihrer Transidentität wirklich annehmen zu können, hilft es die Hintergründe zu verstehen. Meiner Ansicht nach ist Aufklärung aber auch die Bereitschaft des Umfeldes, sich damit zu beschäftigen und offen für bislang vielleicht Unbekanntes zu sein, essenziell. Für viele ist es immer noch das erste Mal, wenn sie im Erwachsenenalter einen Trans-Menschen kennenlernen und manchen Personen fällt es dann schwer zu verstehen, dass Trans-Menschen sich beispielsweise nicht verkleiden. Nein: Sie wurden mit ihrer Trans-Identität geboren – nur eben im falschen Körper. Und auch, wenn es für manche irrsinnig klingen mag und die Personen denken: „Das ist doch gar nicht möglich!“ Doch, ist es! In meinem Fall: Als Frau geboren, doch äußerlich im Körper eines Mannes steckend.
Als Geschäftsführerin/CFO von Verivox hat deine Offenheit eine hohe Strahlkraft. Auch dein Outing erfolgte als Führungskraft. Welche Herausforderungen oder Ängste brachte dies mit sich?
Angst trifft es sehr gut, denn Ängste waren für mich lange Zeit ein dominierendes Thema. Ich hatte Angst, meinen Job zu verlieren. Angst, nicht akzeptiert zu werden und nie mehr einen Fuß in der Berufswelt fassen zu können. Diese Ängste haben mich bis in meine späten Dreißiger verfolgt. Doch irgendwann wurde der Druck, in meiner wahren Identität leben zu wollen, so hoch, dass ich den Schritt schließlich gewagt habe. Eine besondere Herausforderung war, dass ich in meiner damaligen Position nicht nur für Finanzen, sondern auch für das Personalwesen verantwortlich war. Das bedeutet, dass ich meine eigene Abteilung hätte fragen müssen, wie man in so einer Situation am besten vorgeht. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich das Gefühl, mit niemandem wirklich sprechen zu können, und habe dies daher über den gesamten Outingprozess hinweg mit mir selbst ausgemacht. Rückblickend hätte ich zumindest die Beratung des:der Diversity-Beauftragte:en einfordern können.